Gehirnimplantat & künstliche Intelligenz heilen Lähmung durch Rückenmarksverletzung.
Vor ungefähr zehn Jahren erlitt Ian Burkhart durch einen Unfall eine Verletzung des Rückenmarks, nach der er größtenteils gelähmt war. Zwar war er noch in der Lage seine Schultern und Ellenbogen zu bewegen, jedoch spürte er seit dem Unfall seine Hände nicht mehr. Doch das sollte sich ändern. So sehr, dass er kürzlich wieder in der Lage war Guitar Hero zu spielen.
Ian ist seit dem Jahr 2014 teil des Projektes ‚NeuroLife‘, in dem Wissenschaftler der Organisation Batelle sowie des Ohio State University Wexner Medical Center’s daran arbeiten, mit Hilfe von einem Gehirnimplantat (brain-computer-interfaces, BCI) in Verbindung mit künstlicher Intelligenz, das Ausmaß von Ian’s Lähmung zu lindern. Die ersten, vielversprechenden Ergebnisse dieser Arbeit wurden nun im Mai im wissenschaftlichen Magazin Cell publiziert.
Die Forscher haben zunächst eine grundlegende und wichtige Beobachtung gemacht. Die Hirnsignale die hervorgerufen werden, wenn ein Körperteil berührt wird, waren in Ian’s Gehirn bei Berührung seiner Hand außerordentlich schwach. Was im ersten Moment negativ klingt, ist jedoch alles andere als das. Denn diese zumindest noch schwach vorhandenen Hirnsignale sind die Basis für das Forschungsprojekt. Laut Erstautor Patrick Ganzer sind schwach vorhandene Hirnsignale nach einer Rückenmarksverletzung nicht selten der Fall. Die Signale sind lediglich viel zu schwach, als dass die Patienten diese wahrnehmen könnten.
Die Idee der Forscher war es nun, diese Hirnsignale zu verstärken. Wie sie in ihrem Cell-Artikel detailliert beschreiben, wurde hierfür ein BCI, ein Gehirnimplantat das als Schnittstelle zwischen Neuronen und externen elektronischen Signalen fungiert, und ein touch-decoder benutzt. Letzteres ist ein Computeralgorithmus, der trainiert wurde um Gehirnsignale, die durch Berührungen hervorgerufen wurden, zu erkennen. Wenn nun solche (bei Ian unglaublich schwachen) Signale durch den Algorithmus wahrgenommen werden, werden diese verstärkt und an einen speziell entwickelten und mit Elektroden versehenen, (eng an der Haut anliegenden) Armstrumpf geschickt. Mit Hilfe von haptischem Feedback gelangen die Signale über den Strumpf zu Ian’s Unterarm. Ein Beispiel für haptisches Feedback ist das vibrierende Handy.
Batelle’s BCI & Ian’s Fortschritte
Das Gehirnareal für die Wahrnehmung haptischer Reize liegt direkt neben dem Motorcortex. Dieser ermöglicht es uns unseren Körper zu bewegen. Laut Studie war Ian hierdurch nicht nur in der Lage Reize auf seiner Hand zu spüren. Es hat ihm zusätzlich ermöglicht über 20 Handgesten auszuführen. Darunter zum Beispiel das Benutzen einer Kreditkarte oder das Heben einer Tasse. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Tatsache, dass das BCI in der Lage ist, einzuschätzen wie viel Kraft benötigt wird um ein Objekt zu bewegen. Dementsprechend schickt es unterschiedlich starke Reize in den Unterarm. Somit ist Ian in der Lage weniger Kraft auszuüben, wenn er etwas Fragiles packt und mehr, wenn es sich um ein schwereres oder robustes Objekt handelt. Es ist zudem das erste BCI das in der Lage ist, Tastgefühl so wie Bewegung parallel wiederherzustellen.
Für die Zukunft ist das Team von NeuroLife sehr zuversichtlich. Momentan arbeiten die Wissenschaftler daran, ein BCI zu entwickeln, das privat in den Häusern der Patienten so gut funktioniert wie das aktuelle BCI im Labor. Dabei liegt der Fokus auf der Entwicklung eines Armstrumpfs, den man komfortabel tragen kann und der alle nötigen Elektroden und Sensoren beinhaltet. Außerdem wird an einer Tablet-App gearbeitet der anstelle des Computers alle nötigen Rechnungen anstellt.
Es scheint, als mache die Forschung in der Wiederherstellung von Motorfunktionen bei gelähmten Patienten große Fortschritte. Zuvor haben wir bereits über eine Therapie berichtet, in der mit Hilfe von Stammzellen große Erfolge erzielt wurden. Nun scheint eine weitere Methode gefunden worden zu sein, die in Zukunft den Alltag von Menschen mit Lähmungen erleichtern könnte.
Wissenschaftliches Paper in Cell

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